Berlin (ots) –
Am 11. Februar 2024 werden nach Urteil des Bundesverfassungsgericht Teile der Bundestagswahl aus 2021 wiederholt. Klaus Mindrup (SPD) war von 2013 bis 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages und tritt für Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee wieder an.
Herr Mindrup, das Bundesverfassungsgericht hat am 19. Dezember entschieden, dass in über 80 Prozent der Wahllokale in Ihrem Wahlkreis die Bundestagswahl aus dem Jahre 2021 ungültig ist. Was sagen sie zu dieser Entscheidung?
Klaus Mindrup: Das war keine ordnungsgemäße Wahl, daher war die Entscheidung zwingend.
Auf zwei Punkte möchte ich hier noch hinweisen. Erstens gab es im Verfahren Versuche, die Fehler klein zu reden, umso um eine Neuwahl des Wahlkreisabgeordneten herum zu kommen. Dagegen bin ich anwaltlich vorgegangen und meine Argumente wurden übernommen. Das ist gut. Aber die Dauer des Verfahrens war viel zu lang. Ich bin selbständig, da kommt es nicht nur darauf an, was ich mache, sondern auch in welcher Zeit. Dies sollte auch für unseren Staat gelten.
Treten Sie wieder an? Ist der Rückstand zu ihrem Mitbewerber aufzuholen?
Klaus Mindrup: Ich muss wieder antreten, da die Neuwahl gerichtlich angeordnet wurde. In den für gültig erklärten Wahllokalen, also dort, wo die Wahl ordnungsgemäß gelaufen ist, liege ich deutlich vorn. Ich bin gespannt, wann diese Zahlen endlich zusammengefasst veröffentlicht werden. Für den Rest gilt, ungültig ist ungültig.
Aber im Internet findet man diese Informationen auf die Schnelle nicht, warum?
Klaus Mindrup: Da müssen sie die Wahlleitungen und nicht mich fragen. Sie finden im Netz eine Excel-Tabelle mit den Ergebnissen der einzelnen Wahllokale und dann müssen sie rechnen. Aber ich würde doch gerne die offizielle Zusammenfassung im Internet sehen.
Die Kandidaten der Berliner SPD werben mit ihrem alten Plakat, nur sie treten mit einem neuen Plakat und dem Slogan „Neuanfang wählen!“ an – warum?
Klaus Mindrup: Ich bin davon überzeugt, dass wir im Wahlkreis und auch im Bund einen politischen Neuanfang brauchen. Wir müssen über Parteigrenzen hinweg Lösungen für die großen Aufgaben unserer Zeit auf den Weg bringen.
Ich bin aktiver Genossenschaftler, da bin ich es gewohnt, mit allen zu reden, zuzuhören, einen Konsens zu finden und dann auch zu handeln. Natürlich ist die Bundesregierung gewählt. Aber sie hat dramatisch an Akzeptanz verloren und die wird sie nur wiedergewinnen, wenn Stil, Zusammenarbeit und Schwerpunkte sich ändern. Ich war lange Kommunalpolitiker. Deswegen würde ich mir z.B. wünschen, dass viel stärker mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zusammengearbeitet wird, denn die sind nahe dran an den Aufgaben und wissen gut, was die Menschen bewegt.
Können Sie es etwas Konkreter machen?
Wenn in meiner Straße für eine möblierte Wohnung ein Preis von 62 Euro pro Quadratmet aufgerufen wird, läuft doch ganz offensichtlich etwas völlig aus dem Ruder. Wer kann das bezahlen?
Wir brauchen einen besseren Schutz für Mieterinnen und Mieter und zugleich ein Programm für den Neubau von dauerhaft günstigem Wohnraum, keine Strohfeuer für wenige Jahre. Wir machen das als Genossenschaftler seit langer Zeit, auch andere, z.B. die kommunalen Unternehmen. Langfristig laufende und niedrig verzinste Darlehen des Staates sind der wichtigste Hebel, um hier endlich die notwendige Zahl an neuen bezahlbaren Wohnungen zu bauen.
Ein zweites Beispiel sind die Erneuerbaren Energien. Die Kosten sind in den letzten Jahren deutlich gesunken, die gesunkenen Kosten kommen aber bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht an. Das müssen wir ändern.
Wie wollen Sie das in den nicht einmal verbleibenden zwei Jahren erreichen?
Zwei Jahre sind eine lange Zeit und auch zum Ende einer Wahlperiode sind Fortschritte machbar. 2017 habe ich gegen heftige Widerstände die Förderung von Mieterstrom durchgesetzt. Das war nicht perfekt, aber ein wichtiger Schritt für eine bürgernahe, dezentrale und bezahlbare Energieversorgung. 2021 haben wir das Baugesetzbuch geändert und durch den Umwandlungsschutz ein wirksames Instrument gegen Spekulation verabschiedet und nicht zu vergessen das verbesserte Klimaschutzgesetz. Ich weiß, wie man hart im Interesse unserer Menschen verhandeln muss und das werde ich im Fall meiner Wahl wieder tun.
Eine abschließende Frage, was haben sie in den letzten zwei Jahren nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag gemacht und wollen Sie wirklich wieder zurück?
Ich habe das gemacht, was ich auch vorher über 25 Jahre gemacht habe. Ich habe als selbständiger Sachverständiger gearbeitet und mich weiter in der Genossenschaftsbewegung engagiert.
Diesmal aber stärker international. Dabei habe ich viel gelernt. In den USA gibt es z.B. drei große Investitionsprogramme, eines für die Wiederherstellung der Infrastruktur, ein Programm für Investitionen in Erneuerbare Energien und Klimaschutz sowie ein Programm für Chip-Fabriken. Die USA haben erkannt, dass eine moderne, zukunftsfähige Industrie und Infrastruktur notwendig sind.
Dieser Geist hat mich angesteckt und den möchte ich auch in Europa und Deutschland weiterverbreiten. Durch unsere Kultur der Mitbestimmung, die duale Ausbildung, einen breiten Mittelstand, viele qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie eine stärke Gemeinwohlorientierung sind wir eigentlich besser als die USA aufgestellt. Wir machen nur zu wenig daraus. Das sollte sich ändern.
Das Interview führte Anne Jacobs vom DJV Berlin.
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