Dortmund (ots) –
Unter dem Titel „NRW ist bereit für den H2-Hochlauf, die Bagger müssen jetzt rollen“ hat der Fernleitungsnetzbetreiber Thyssengas gestern zur dritten Ausgabe des Thyssengas Dialogs eingeladen. Die rund 100 Gäste vor Ort sowie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Livestream erwartete ein hochkarätig besetztes Programm. Neben Vertretern aus der Politik waren Akteure der gesamten H2-Wertschöpfungskette ins Dortmunder U gekommen, um sich über den Stand der Planungen rund um das Wasserstoff-Kernnetz auszutauschen, Herausforderungen aufzuzeigen und nächste Schritte abzustecken. Moderiert wurde die Veranstaltung in diesem Jahr von energate-Redakteur Karsten Wiedemann.
Dr. Thomas Gößmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Thyssengas GmbH, eröffnete die Veranstaltung: „Wir sind heute deutlich weiter als noch vor einem Jahr: Die Bagger rollen zwar noch nicht – aber wir haben die Zündschlüssel bereits in der Hand, erste H2-Projekte sind gestartet. Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir bestehende Hürden thematisieren und gemeinsam aus dem Weg räumen. Daher möchten wir den Thyssengas Dialog nutzen, um Transparenz zu schaffen und über den Fortschritt sowie weiterhin bestehende Herausforderungen hinsichtlich der Wasserstoff-Transportinfrastruktur aufzuklären – insbesondere mit Blick auf das geplante H2-Kernnetz.“
Dabei ging Dr. Gößmann auch auf die Verschiebung der finalen Antragseinreichung für das H2-Kernnetz aufgrund der noch ausstehenden beihilferechtlichen Genehmigung der EnWG-Novelle durch die EU-Kommission ein. „Gerne hätte ich Ihnen heute die konkreten Leitungen des H2-Kernnetzes und unseren Anteil daran vorgestellt – natürlich vorbehaltlich der abschließenden Genehmigung durch die Bundesnetzagentur“, so Dr. Gößmann. Doch er könne und wolle dem Antrag nicht vorgreifen. „Es ist kein Geheimnis, dass zwischen Fernleitungsnetzbetreibern und Investoren weiterhin an der Frage der Finanzierung des H2-Kernnetzes gearbeitet wird. Wir sind noch nicht durch.“ Dennoch zeigte er sich optimistisch, dass der Aufbau des H2-Kernnetzes wie geplant gelingen werde. „Alle Beteiligten sind sich der Bedeutung dieser Infrastruktur für den Wasserstoff-Hochlauf und für die Dekarbonisierung von Industrie und Mittelstand bewusst.“
Die grüne Transformation der Energiewirtschaft – in Deutschland und Europa
Auch Jens Geier, Mitglied des EU-Parlaments und Vorsitzender der Europa-SPD, hob in seiner Keynote die Bedeutung der Wasserstoff-Infrastruktur für eine dekarbonisierte und nachhaltige Zukunft hervor. Er sieht vor allem die Politik – sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene – nun in der Pflicht, weiterhin die notwendigen regulatorischen Weichen zu stellen: „Wir befinden uns in einer besonderen Phase. Wir sind dabei, der Lokomotive ‚Energiewirtschaft‘ in voller Fahrt die Räder zu wechseln. Und dieser Radwechsel muss schnell laufen und verlässlich sein. Das ist meine Erwartung an die aktuelle und künftige EU-Kommission – auch mit Blick auf den Wettbewerb mit anderen Weltregionen.“ Mit der Verabschiedung des EU-Gasmarktpakets konnte der Weg für den Aufbau der nationalen Wasserstoff-Infrastruktur geebnet werden, der nächste Schritt sei jetzt die noch ausstehende beihilferechtliche Genehmigung.
Verlässlichkeit als Prämisse für die Zusammenarbeit zwischen Fernleitungsnetzbetreibern und Industrie
„Das H2-Kernnetz ist eine Gemeinschaftsaufgabe“, diese Botschaft zog sich durch zahlreiche Wortbeiträge des dritten Thyssengas Dialogs. Dr. Arne Dammer, Leiter Strategie und Innovation bei Thyssengas, betonte hierbei insbesondere die Zusammenarbeit zwischen den Fernleitungsnetzbetreibern und der Industrie. Er erläuterte, dass Thyssengas in den vergangenen Jahren bereits die Grundlage für tragfähige Belieferungskonzepte mit verschiedenen potenziellen Wasserstoff-Kunden geschaffen habe.Auf Grundlage zahlreicher Gespräche sowie Workshops mit Unternehmen und lokalen Versorgern seien bereits Absichtserklärungen geschlossen worden. „Diese Arbeit werden wir fortsetzen und dabei zunehmend konkreter werden. Weitere Schritte auf dem Weg hin zur Belieferung sind nun die Realisierungsverträge, die Netzanschlussverträge sowie die Kapazitätsbuchungsverträge“, so Dr. Dammer. Verlässlichkeit sei aus seiner Sicht jetzt das Stichwort, denn nur wenn Commitment zum Wasserstoff-Markthochlauf auf beiden Seiten – von Fernleitungsnetzbetreibern sowie potenziellen H2-Verbrauchern – vorhanden sei, könne eine zielgerichtete Planung und Umsetzung der H2-Infrastruktur erfolgen. „Das H2-Kernnetz ist der erste Schritt, auch zum Erhalt der Zukunftsfähigkeit des Industriestandortes Nordrhein-Westfalen. Zudem arbeiten wir bereits an so genannten Weiterverteilungskonzepten, um den Wasserstoff-Bedarf auch in der Fläche zu decken. Von der ‚H2-Autobahn‘ zu den ‚Bundes- und Landstraßen‘ – dies erreichen wir durch T-Stücke, Anschlussleitungen und damit Unterverteilungen in verschiedenen Regionen Nordrhein-Westfalens.“
Das H2-Kernnetz sei dabei aus seiner Sicht kein statisches Konstrukt, sondern vielmehr ein iterativer Prozess in mehreren Schritten. Um die bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Wasserstoff-Transportinfrastruktur sicherzustellen, soll das H2-Kernnetz alle zwei Jahre überprüft und die Planungen bei Bedarf angepasst werden. Die Grundlage hierfür bilde der integrierte Netzentwicklungsplan (NEP) für Gas und Wasserstoff.
Von der Einspeisung bis zum Abnehmer – H2-Versorgungsrouten in NRW
Während beim Thyssengas Dialog 2023 thematisch die Vision einer Wasserstoff-Wirtschaft und die dafür notwendigen regulatorischen Rahmenbedingungen im Mittelpunkt standen, lag der Fokus der dritten Ausgabe auf der konkreten Umsetzung. In Form von Projekt-Pitches präsentierten Mathias Reinemann, Director of Business Development Hydrogen, BP Europa SE, Philipp Kremer, Business Developer, RWE Generation, und Andreas Meyer, Leiter Fahrzeugtechnik Stadtwerke Wuppertal, konkrete Kooperationsbeispiele. Die Vorträge deckten eine inhaltlich große Bandbreite ab: von internationalen Import- und Erzeugungsstrategien bei bp über die Umsetzung wasserstoffbetriebener Kraftwerke bei RWE bis hin zu regionalen Versorgungsprojekten im öffentlichen Nahverkehr bei den Stadtwerken Wuppertal. Insgesamt haben diese vielfältigen Anwendungsfälle gezeigt, wie eine ganzheitliche Versorgungs- und Infrastrukturplanung entlang der H2-Wertschöpfungskette aussehen kann und wie die einzelnen Glieder zusammenhängen.
Energiewende: Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit zusammendenken
Neben dem Aufbau der H2-Infrastruktur und relevanten Versorgungsrouten ging es darum, den Blick zu weiten und die Energiewende als Gesamtkonzept – mit einem Fokus auf der integrierten Betrachtung von Strom- und Gaskapazitäten – näher zu beleuchten. Dr. Fridolin Pflugmann, Associate Partner bei McKinsey und Mitautor der unabhängigen Studie „Zukunftspfad Stromversorgung“, erläuterte die notwendigen Rahmenbedingungen und Parameter für eine kosteneffiziente Energiewende. Dabei plädierte er dafür, stärker auf den Ausbau wasserstofffähiger Gaskraftwerke zu setzen.
Mit Pragmatismus, Kooperation und der richtigen Regulatorik zum H2-Hochlauf
Dass es auf dem Weg in die Wasserstoff-Zukunft – trotz der deutlich verbesserten Ausgangslage – noch einige Herausforderungen zu bewältigen gilt, war übereinstimmende Meinung einer abschließenden Podiumsdiskussion des dritten Thyssengas Dialogs. Patrick Wendeler, Vorsitzender des Vorstands der BP Europa SE, betonte: „Es gibt gute erste Schritte, aber es kann sicher noch einiges mehr passieren, damit wir weiter Vertrauen in den Markt gewinnen können. Das hat viel mit Regulatorik zu tun. Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten, brauchen aber natürlich auch die Business Cases entlang der Wertschöpfungskette.“
Nikolaus Valerius, Vorsitzender des Vorstands von RWE Generation SE, schloss sich dem an. Daneben ergänzte er: „Wir stehen vor einer unglaublich großen Transformation, die alle betrifft – von der Industrie bis zum Verbraucher. Beim Projekt Energiewende geht es jetzt darum, viele Einzelthemen in einem Gesamtzusammenhang voranzubringen. Das Kernnetz schafft für Wasserstoff Planungssicherheit auf der Transportebene, aber wir das brauchen wir auch für Wasserstofferzeugung, -verbrauch und -speicherung. Dabei ist Pragmatismus nötig mit dem klaren Ziel Klimaneutralität 2045.“
Hinsichtlich der Regulatorik entgegnete Prof. Dr. Phillip Fest, Gruppenleiter Energieinfrastruktur, Atomrecht in der Energieabteilung, Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen,dass der Rechtsrahmen für das H2-Kernnetz bereits so pragmatisch wie möglich geschaffen wurde: „Auf der Genehmigungsseite haben wir wegweisende Rahmenbedingungen, weil wir Erdgas und H2 gemeinsam betrachten und das halbe Kernnetz mit einem einfachen Anzeigeverfahren in vier Wochen zugelassen werden kann. Die schnellste Planung und Genehmigung ist keine Planung und Genehmigung.“ Die nächste große Aufgabe der Landesregierung sei jetzt die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Neubau-Leitungen. Dazu betonte Prof. Dr. Fest: „Gesetzliche Beschleunigungsmaßnahmen müssen eine echte und nicht nur eine vermeintliche Beschleunigung zur Folge haben. Es braucht darüber hinaus die rechtzeitige Einplanung der Bearbeitungskapazitäten auf allen Seiten.“
Markus Hilkenbach, Vorsitzender des Vorstands der Stadtwerke Wuppertal, vertrat währenddessen insbesondere die Perspektive der Verbraucher: „Ich bin froh, dass mit Initiativen wie heute darauf aufmerksam gemacht wird, dass es um mehr als nur das H2-Kernnetz geht. Es muss auch um die Verbraucher gehen. Wie auch die Veranstaltung heißt: Die Bagger müssen rollen. Daher dürfen wir uns jetzt nicht in akademischen Diskussionen verlieren. Wir brauchen Pragmatismus.“
Die dritte Ausgabe des Thyssengas Dialogs wurde aufgezeichnet und steht allen Interessierten zum Abruf bereit: www.thyssengasdialog.com
Über Thyssengas
Die Thyssengas GmbH ist ein deutscher Fernleitungsnetzbetreiber. Hauptsitz des Unternehmens, das im Jahr 2021 sein 100-jähriges Bestehen gefeiert hat, ist Dortmund. Thyssengas betreibt ein rund 4.400 Kilometer langes Gasnetz – zum Großteil in Nordrhein-Westfalen, einzelne Leitungen aber auch in Niedersachsen. Darüber werden sowohl nachgelagerte Verteilnetzbetreiber als auch Industriebetriebe und Kraftwerke versorgt. Für die klimaneutrale Zukunft setzt Thyssengas auf den gasförmigen Energieträger Wasserstoff. Der Dortmunder Netzbetreiber engagiert sich dazu in zahlreichen Initiativen. Gleichzeitig investiert er gezielt in die Umstellung seines Leitungssystems, um einen schnellen Wasserstoff-Hochlauf als Teil der Energiewende möglich zu machen. An sieben Standorten im Netzgebiet beschäftigt das Unternehmen aktuell rund 460 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Tendenz steigend.
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Peter Alexewicz
Thyssengas GmbH
Leiter Kommunikation und Energiepolitikpeter.alexewicz@thyssengas.com
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